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Abbildung von Selbstportrait von Sebstian Ugovsky-Strassburger

Nichts regt sich

Es ist wieder einer dieser Momente, wo man vom Rhythmus seines Ganges gewogen von seinen Schuhen und den nassgrauen Mustern auf den Bordsteinplatten aufschaut und das Gefühl bekommt, die Straße um einen herum steht plötzlich still und man ist der Einzige, der sich gerade bewegt. Als ich es bemerke, bleibe ich davon ergriffen stehen und drehe mich ganz langsam um. Nein es ist keine Täuschung. Es ist als ginge hier gerade etwas Merkwürdiges vor. Alles ist ruhig. Die 2 Männer an der Ecke stehen aus der Ferne betrachtet scheinbar regungslos da wie 2 Schaufensterpuppen und 2 Autos, die eben noch fuhren, sind im selben Augenblick an der Ecke zum Stillstand gekommen. Ein unbeweglicher abgeschnitten wirkender Kopf ist hinter den Blumenkästen auf einem Balkon oberhalb der Ecke zu erkennen, als hätte man in einem Museum eine Büste von Jemandem aufgestellt, der irgendetwas Bedeutendes zu sagen hatte, und der Wind hat im selben Moment aufgehört die Äste der jungen gelbbraunen Herbstbäume zu durchkämmen. Die Blätter glänzen in der tiefstehenden Sonne wie Gold. Regungslos. Ein einzelnes Blatt fällt noch herab, als Beweis dafür dass sich bis eben noch alles bewegte und nur das Knistern meiner Zigarette ist noch auf dem kleinen Vorplatz zu hören. Stille. Ich spüre wie ich das Einzige bin, was sich in diesem Bild bewegt. Wie ein Wasserläufer, der die spiegelglatte Oberfläche eines ruhigen Waldsees unverhofft durchschneidet und kleine Wellenringe um sich bildet, zieht der Rauch meiner Zigarette Kreise um mein Gesicht. Wie oft dachte ich in diesen Momenten an die so unterschiedliche Wahrnehmung von Raum und Zeit. Je nachdem von wo aus man darauf schaut. Wie schnell wir die Bewegungen von Ameisen doch empfinden, während kleine Insekten wie sie und ihr Zeitempfinden dermaßen anders ist als unseres, dass sie genau aus diesem Grunde uns immer so schnell entfliehen können. Denn aus ihrer Sicht bewegen wir uns sehr sehr langsam. Unmerklich, könnte man auch sagen. Und wenn ich mir den Fortschritt unserer Gattung mit einem etwas größeren Abstand historisch rückblickend so betrachte, kann ich das nur allzu gut nachempfinden. So wie in diesem stillen Moment auf dem kleinen Platz an einem frischen sonnigen Herbstvormittag. Stillstand und Bewegung. Alles eine Frage der Perspektive, und wie weit man das Große und Ganze zu überblicken vermag...